Wie der Mensch auf Licht reagiert, wie das Tageslicht unsere Stimmung und letztendlich die körperliche und seelische Gesundheit beeinflusst, wird heute im modernen Lichtmanagement berücksichtigt. Biologisch wirksam wird Licht dann, wenn man das richtige Lichtspektrum bzw. die erforderliche Intensität zur richtigen Tageszeit einsetzen kann und somit unseren menschlichen Körper unterstützt und nicht gegen ihn arbeitet.

Auch in der Arbeitswelt soll das neue Wissen über biologische Lichtwirkung, (häufig auch Human Centric Lighting (HCL) genannt), genutzt werden. Vorbild ist das natürliche Tageslicht. Durch einen hohen Blauanteil im Licht (tageslichtweißes Licht ab 5600 K) wird der Melatoninspiegel beeinflusst: Wir sind wacher, können uns besser konzentrieren und sind damit leistungsfähiger. Im Gegenzug wirkt ein Licht ohne Blauanteil (warmweißes Licht 2700 – 3300 Kelvin) beruhigend und entspannend, unser Wohlbefinden wird gesteigert.

Durch Forschungserkenntnisse zur Funktionsweise der inneren Uhr und dem Einfluss von Licht können Beleuchtungsanlagen genau auf die Bedürfnisse der nutzenden Personen angepasst werden. Dabei werden nicht allein gute Lichtverhältnisse für die visuellen Anforderungen (z. B. Lesen, Orientierung) am Arbeitsplatz oder in Räumen geschaffen, sondern ein ganzheitliches Lichtkonzept, bei dem das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen im Mittelpunkt stehen. In diesem Bereich wird seit Jahren geforscht und es gibt spannende Erkenntnisse, die nun bei der Planung von Licht miteinbezogen werden. Und das nicht nur im Büro, auch in Krankenhäusern, Schulen, bei Langstreckenflügen oder auch beim Leistungssport.

Anforderungen an biologische Lichtwirkung im Büro

Voraussetzung für die biologische Wirksamkeit von Licht sind vor allem diese Kriterien:

Das Licht muss

  • flächig sowie von oben und von vorne auf das Auge treffen.
  • im Tagesablauf veränderbar sein (die empfohlene Beleuchtungsstärke am Büro-Arbeitsplatz liegt z. B. zwischen 500 Lux und 1.500 Lux).
  • am Auge tagsüber mindestens 240 lx MEDI erreichen
  • je nach Tageszeit in der Farbtemperatur angepasst werden können.

Das ist nur mit einem durchdachten Lichtkonzept für den kompletten Raum zu erreichen. Individuelle Bedürfnisse, je nach Tageslicht-Einfall, Oberflächen von Wänden bzw. Möbel und Anforderungen der Personen (Arbeitsaufgabe, Sehvermögen und Chronotypen) müssen zwingend berücksichtigt werden. Schreibtischleuchten und Stehleuchten unterstützen das Gesamtkonzept und dienen zur Erfüllung der individuellen Sehaufgabe.

Zu wenig Tageslicht schadet der Gesundheit

Licht bestimmt unseren Alltag, unser Leben dreht sich um die Sonne. Nur weil es sie gibt, konnte sich Leben auf der Erde entwickeln. Tag- und Nachtphasen bestimmen unsere innere Uhr. Wird es hell, wachen wir auf und sind leistungsfähig und haben Energie. Wird es dunkel, kommen wir zur Ruhe und schlafen. Viele Körperfunktionen sind auf diesen Tag-Nacht-Rhythmus ausgerichtet, messbar ist das z. B. an Herzschlag, Hormonen oder Atmung.

Schon lange ist bekannt, dass Licht Einfluss auf unser Wohlbefinden, auf unsere Gesundheit und unsere Leistungsfähigkeit nimmt. Seit wir aber zunehmend Zeit in künstlich beleuchteten Räumen verbringen, verliert der natürliche gegebene Rhythmus von Tag und Nacht mit ihren unterschiedlichen Helligkeiten an Einfluss und die innere Uhr wird vom elektrisch erzeugten Kunstlicht bestimmt. Dadurch kann sich der Rhythmus verschieben oder sogar gestört werden.

Biorythmus, Licht & Melatoninspiegel: Die Entdeckung der retinalen Ganglienzellen

Lange war nicht klar, welche Vorgänge im Körper stattfinden, wie genau Licht unser Wohlbefinden steuert. Anfang dieses Jahrtausends entdeckten Wissenschaftler besondere Rezeptoren im menschlichen Auge, spezielle Ganglienzellen (intrinsisch photosensitive retinale Ganglienzellen (ipRGCs)). Sie sind lichtempfindlich und steuern die innere Uhr, den Biorhythmus des Menschen, indem sie die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin beeinflussen. 2017 wurden drei amerikanische Forscher für deren Forschung zur Funktion der inneren Uhr mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.

Der Blauanteil im Licht bremst die Melatonin-Bildung

Diese Ganglienzellen reagieren besonders auf Licht mit hohen Anteilen im blauen bzw. cyan Bereich mit einer Wellenlänge von ca. 490 nm – ein Bereich im sichtbaren Lichtspektrum, der für die visuelle Funktion keine Bedeutung hat.

Das natürliche Tageslicht hat ein ausgefülltes Spektrum (alle spektralen Teile sind enthalten) mit einem ausgeprägten Blauanteil. Unser menschlicher Biorhythmus hat sich evolutionär unter diesem natürlichen Tag- Nachtrhytmus entwickelt, ist also seit jeher so ausgerichtet, dass wir tagsüber aktiv und abends bzw. nachts müde sind. Dann kann sich der Körper erholen und regenerieren, denn dieser hohe Blauanteil im Tageslicht-Licht verringert sich zum Abend hin stark.

Dem Vorbild der Natur entsprechend, kann auch die Beleuchtung gestaltet werden. Beispielsweise, dass am Tag mit hohen Intensitäten und einem erhöhten Blauanteil Vitalität und Konzentration gesteigert werden können, was auch zu einer besseren Leistungsfähigkeit beitragen kann. Eine Beleuchtung mit wärmeren Lichtfarben, mit geringen oder keinen Blauanteilen stimmt den Körper auf die Nacht ein. Die Melatoninausschüttung wird nicht unterdrückt und man kann besser schlafen. Das Kunstlicht arbeitet nicht gegen den natürlichen Rhythmus.

Mehr Lebensqualität durch Lichtsteuerung

Diese Erkenntnisse werden in weiteren wissenschaftlichen Studien im Gesundheitswesen, in Altenheimen oder in Schulen genutzt, um die Effekte von Licht weiter zu erforschen. Die Ergebnisse sind überzeugend. Eine Feldstudie über 14 Monate in einem Altenheim in Wien z. B. wies auf eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität hin. Auch in anderen Bereichen sind viele weitere Studien gestartet worden. So berichtet zum Beispiel der Chrono-Biologe Dr. Thomas Kantermann von einem Forschungsprojekt mit Leistungssportlern, die unter Licht mit hohen Blauanteilen rund 5% mehr Leistung brachten, eine Größenordnung, die mit Anabolika erreicht werden kann, aber mit viel mehr Nebenwirkungen. Weitere Forschungen laufen zum Beispiel im Bereich der Langstreckenflüge oder zum Thema Burnout.

Ein hoher Blauanteil im Licht erhöht die Vitalität, steigert die Konzentration und verstärkt die Leistungsfähigkeit. Wärmere Lichtfarben mit geringen oder keinen Blauanteilen stimmen den Körper auf die Nacht ein. So wird die Melatoninbildung nicht unterdrückt und man kann besser schlafen.

Biologische Lichtwirkung am Arbeitsplatz

Auch in Arbeitsstätten ist eine gute Beleuchtung hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden vielversprechend. Morgens wird der Start in den Tag unterstützt und dem Mittagstief könnte gegengesteuert werden. Hohe Intensitäten über den Tag können die Lichtwirkung am Abend reduzieren, den Tagesrhythmus stabilisieren und zu einer verbesserte Schlafqualität in der Nacht beitragen.

Das erwünschte Ergebnis ist konzentrierteres Arbeiten bei langfristig besserer Gesundheit. Biodynamisches Licht kann zudem den positiven Einfluss unterstützen, den Erfolg und Zufriedenheit auf unsere Gesundheit haben – im Gegensatz zu Stress oder auch Unterforderung.

Kriterien für biologisches Licht

Die bisherigen Anforderungen an künstliches Licht bleiben erhalten:

  • Eine gute Beleuchtungsstärke muss den jeweiligen Sehaufgaben entsprechen und innerhalb der Arbeitsfläche möglichst gleichmäßig sein.
  • Blendung durch Tageslicht, die Leuchte oder durch Reflexionen sind zu vermeiden.
  • Das Licht muss flimmer- und flackerfrei sein.
  • Die Lichtfarben sollten angenehm und die Farbwiedergabe möglichst gut sein. (Regelwerke siehe Ende des Artikels)

Biologisch wirksames Licht ergänzt diese Vorgaben sinnvoll.

Die Anforderungen an biologisch wirksame Lichtlösungen sind anspruchsvoll, deshalb sollte die Lichtplanung am besten von Beginn an in die Raumplanung integriert werden. Für eine sinnvolle Planung von HCL müssen z. B. Tageslichteinfall im Tages- und Jahresverlauf und die Farbe der Oberflächen im Raum beachtet werden. Auch Raster vor den Leuchten können die Lichtqualität verändern.

Biologische Lichtwirkung braucht flächiges Licht von oben und von vorne

Grundsätzlich muss biologisch wirksames Licht flächig von oben und von vorne auf die Netzhaut treffen, denn die retinalen Ganglienzellen sind so angesiedelt, dass sie natürliches Tageslicht von oben (so wie draußen vom Himmel) erreicht. Das erzielt man durch großflächige Deckenleuchten oder durch indirekte Lichtquellen wie Standleuchten, die die Decke und obere Wandbereiche aufhellen. Tisch- bzw. Arbeitsplatzleuchten können die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz sinnvoll ergänzen, um die klassischen Sehaufgaben zu erfüllen. Am Abend kann eine geringe biologische Lichtwirkung erzielt werden, indem Decken und Wandbereich gedimmt werden und der Arbeitsbereich nur noch direkt beleuchtet wird.

Dynamisch in Farbtemperatur und Beleuchtungsstärke

Eine wichtige Anforderung an HCL: Das Licht muss sich im Tagesverlauf verändern lassen. Dies kann durch eine Veränderung der Intensität (wichtig ist hier wieder die Beleuchtungsstärke am Auge, die wie im vorherigen Absatz beschrieben, maßgeblich durch helle Wände und Decken bestimmt wird) und kann zusätzlich durch die Farbtemperatur beeinflusst werden: Aktivierende Wirkung ergibt sich aus höheren Beleuchtungsstärken und mehr Blauanteilen im Licht. Das ist morgens und zum Mittagstief sinnvoll. Geeignet ist hier Licht mit einer Farbtemperatur über 5300 Kelvin. Nachmittags und abends sollte der Blauanteil sinken, wärmere Lichtfarben unter 3.300 K sind hier zu empfehlen. Am wirksamsten wird biologisch wirksames Licht am Morgen nach vorangegangener Dunkelheit.

Die Beleuchtungsstärken am Auge sollten nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen mindestens 250 Lux MEDI erreichen. Lux MEDI beschreibt eine tageslichtäquivalente Beleuchtungsstärke bei ca. 6500 K (tageslichtweiß) – ja wärmer die Farbtemperatur, desto größer muss die Beleuchtungsstärke sein, um die gleiche Wirkung, also den empfohlenen Mindestwert zu erreichen. Für typische LEDs in Leuchten gelten folgende Werte:

Entscheidend sind die vertikalen Beleuchtungsstärken an unseren Augen, die v.a. durch die wahrgenommenen Leuchtdichten der betrachteten Oberflächen bestimmt werden. Trotzdem muss das Licht weiterhin gemäß der Sehaufgaben angepasst werden. Licht.de empfiehlt an einem Büro-Arbeitsplatz deshalb z. B. eine Beleuchtungsstärke zwischen 500 Lux und aktivierenden 1.500 Lux für gutes Arbeiten.

Besonders geeignet für die Umsetzung von Centric Lighting sind Räume, in denen man sich länger aufhält, denn das biologische System des Menschen ist in seiner Anpassung deutlich träger als z. B. das visuelle System. Deshalb sind längere Beleuchtungszeiten notwendig, um Reaktionen zu erreichen. Sinnvoll sind also Räume wie Büro- und Konferenzräume oder Kantinen.

Biologisch wirksames Licht: Energieverbrauch

Bisher wird die Energieeffizienz von Leuchten bzw. Leuchtmitteln nur dahingehend bewertet, wie die klassischen Sehaufgaben erfüllt werden können, wie das Licht uns also beim Sehen unterstützt. Für biologisch aktivierende Wirkungen werden höhere Beleuchtungsstärken benötigt, die zwangsläufig auch mehr Energie verbrauchen, also weniger nachhaltig sind.

Rund 25% - 30% mehr Energieaufwand erfordert eine moderne Lichtlösung mit biologisch wirksamem Licht, so die bisherigen Erfahrungen laut DIN SPEC 67600.

Dem stellen Wissenschaftler Folgendes entgegen: Neue Anlagen mit biologisch wirksamem Licht sind aufgrund neuester Technik (z. B. Einsatz von LEDs) energiesparender; dynamisches, sensorgesteuertes Licht (reagiert z.B. automatisch auf An- und Abwesenheit im Raum oder Tageslichteinfall) verringern den Energieverbrauch. Eine verbesserte Produktivität und Gesunderhaltung der Mitarbeiter ohne Ausfallzeiten sollte ebenfalls gegengerechnet werden.

Allerdings bezieht sich das in erster Linie auf komplett neu und ganzheitlich installierte Lichtanlagen.

Es gibt noch viel zu tun – offene Fragen zum Thema Biolicht

Die Grundlagenforschung zu diesem Thema ist sehr weit fortgeschritten. Jedoch besteht für konkrete Anwendungsforschungen und Langzeitstudien (besonders außerhalb von Laboren im Feld) noch erheblicher Bedarf.

Eine Publikation von vielen führenden Wissenschaftler*innen auf diesem Gebiet aus dem Jahr 2022 fasst den aktuellen wissenschaftlichen Stand zusammen und gibt Empfehlungen.

Neben den positiven Effekten von Licht werden auch die gesundheitlichen Risiken untersucht. Falsch angewendet, könnte es dem Organismus langfristig schaden. Es gibt große Bedenken, z. B. bei Nachtarbeit. Wenn der Körper in seinem natürlichen Rhythmus in eine Ruhephase tritt, man aber mit blauem Licht entgegenwirkt, welche schädlichen Langzeitwirkungen kann das haben? Und wieweit kann man die Leistungsfähigkeit eines Menschen steigern, ohne ihm zu schaden? Begriffe wie Neuro- oder Lichtdoping kursieren. Es ist also wichtig, Licht für eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheit und Wohlbefindens einzusetzen und nicht gegen den Körper zu arbeiten, beispielsweise bei einfachen, sich wiederholenden Tätigkeiten in der Nacht.

Individuelles Licht: Der Mensch und seine Arbeits-Umgebung sind verschieden

Alter, Sehvermögen, Sehaufgabe, Tageslicht-Einfall und -Menge, Jahreszeit, Tageszeit, unterschiedlicher Biorhythmus (Eule/Lerche), unterschiedliche Oberflächenstrukturen und -farben – all das gilt es bei der Lichtplanung zu beachten. Bei mehreren Personen in einem Raum ist es noch schwieriger, das optimale Licht für den Einzelnen zu schaffen. Können pauschalisierte Einstellungen dem gerecht werden oder eventuell sogar kontraproduktiv sein? Individuell einstellbare Beleuchtungen haben das Problem, dass der Mensch gar nicht weiß, welches Licht er gerade benötigt und auch nicht permanent darauf achten kann, wie es ihm gerade geht.

Könnte es aktuell nicht mehr Erfolg bringen, das zusätzliche Geld für biodynamisches Licht direkt in den Menschen zu investieren, also z. B in Prozessoptimierung, in übrige Arbeitsplatzergonomie oder in betriebliche Gesundheitsmaßnahmen?

Fazit

Richtig angewendet, kann biologisch wirksames Licht den Menschen das Sonnenlicht in die Innenräume bringen, um z. B. Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Schlafqualität zu verbessern. Dazu braucht es aber ganzheitlich konzipierte, durchdachte Raumkonzepte, die auf den Einzelnen optimierbar sind. Die Forschung ist hier noch voll im Gange. Plant man also einen Neubau oder eine Komplettsanierung, kann es sinnvoll sein, über Human Centric Lichtlösungen nachzudenken – für zuhause oder bei der Arbeitsplatzgestaltung.

Regelwerke und Informationen

Auch mit biologisch wirksamer Beleuchtung behalten die bisherigen Anforderungen für Licht am Arbeitsplatz ihre Gültigkeit. Die DIN EN 12464-1 und die ASR A3.4 zum Beispiel geben Informationen für eine gute Beleuchtungsqualität.

Soll das Licht zusätzlich noch biologisch wirksam sein, findet man Planungsempfehlungen zu Beleuchtungslösungen dazu in der DIN/TS 67600:2022-08 sowie in der DIN/TS 5031-100:2021-11 (Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik). In licht.wissen 19 von licht.de finden Sie den aktuellen Wissensstand sowie Informationen zu den Normen ausführlich und verständlich beschrieben.

Quellen, wenn nicht bereits genannt: DIN/TS 67600, Stand August 2022, licht.wissen 19 von licht.de.

Publikation zum aktuellen wissenschaftlichen Stand: https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.3001571

Weitere Literatur/Empfehlungen zur Einrichtung Homeoffice:
https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressearchiv/2021/quartal_1/details_1_418510.jsp
https://www.licht.de/de/lichtthemen/moderne-arbeitswelten/beleuchtung-im-homeoffice